Twitter wird mehr und mehr auch zum Tummelplatz für kreative Schreiber, Poeten und Twitteraturisten, die einen scharfzüngigen Geistesblitz oder pointierten Aphorismus, unterhaltsame Kürzestgeschichten oder pfiffige Wortspielereien kunstvoll in 140 Zeichen packen. Mehr Zeichen passen in einen Tweet nicht hinein. Was geschieht, wenn Grimm`sche Märchen auf Twitter Gestalt annehmen, hat auf amüsante Weise der Wettbewerb Tiny Fables gezeigt.
Worum es ging: „Ihr glaubt, dass Rotkäppchen es gar nicht bis zur Großmutter geschafft hat? Dass Hänsel und Gretel zwei verfressene kleine Gören waren, die ihre Großmutter für drei goldene Haare eingetauscht haben, weil der Teufel so einsam war und ihnen dafür Lebkuchen bis an ihr Lebensende versprach? Dass es eigentlich nur eine Großmutter für alle Märchenfiguren gab, die irgendwann streikte, weil ja jetzt in Rente und Weltreise usw.? Dann postet das auf Twitter!“
Und bevor ich jetzt verrate, wer die Sieger des Wettbewerbs sind, gibt es hier zunächst Kostproben aus der Märchenerzählkunst meiner Timeline:
Aus Tierschutzgründen dürfen Frösche nicht mehr an die Wand geklatscht werden. Heiratsfähige Prinzen sterben daher leider aus. #TF140
— Ilse Mohr (@IlseMohr) September 12, 2013
„Heute tweet‘ ich, morgen blogg‘ ich, und übermorgen trolle ich der Königin ihr Kind!“ #tf140
— Wibke Ladwig (@sinnundverstand) September 9, 2013
Rotkäppchen wurde gehackt und ist nicht mehr jugendfrei: Der Wolf kaut die Oma. #TF140 http://t.co/2rtcPOZIgE
— Ilse Mohr (@IlseMohr) September 9, 2013
kommt ja kein Friseur hier hoch #TF140
— PiAno (@patriciahuttenh) September 9, 2013
Die Bremer Stadtmusikanten wurden für den ESC-Contest nominiert und gewannen, weil sie die Moderatorin verhauten. #TF140
— Ilse Mohr (@IlseMohr) September 10, 2013
Und wenn sie nicht gestorben sind, beendet Pofalla das Märchen. #tf140 #pofallabeendetdinge
— Sabine Kern (@SabineMKern) September 9, 2013
Pff. Was soll ich mit einem Apfel?, meckerte Schneewittchen. Ich will ein neues Apple. In Gold bitte. #TF140
— Ilse Mohr (@IlseMohr) September 10, 2013
klar bist Du eine Schlafmütze – aber 100 Jahre??? #TF140
— PiAno (@patriciahuttenh) September 9, 2013
Wenn das Sterntalermädchen auf Twitter um Followerpower gebeten hätte, hätte es ganz sicher auch Sterne geregnet. #TF140
— Ilse Mohr (@IlseMohr) September 12, 2013
„Hast du mich eben fett genannt?“, schrie die Prinzessin und funkelte die Erbse böse an. #TF140
— Señor Pete (@PeterHellinger) September 9, 2013
Eine moderne Prinzessin wird nicht mehr mit Erbsen geprüft, sondern auf Plagiate in ihrer Doktorarbeit. #TF140
— Ilse Mohr (@IlseMohr) September 12, 2013
Der Gewinner:
„Ach wie gut, dass niemand weiß, dass…“ „… du ‘Rumpelstilzchen’ heißt!“ „DAS HAT DIR GOOGLE GESAGT!!!“ #tf140 — Moss E. Cobblestone (@Graupause) September 12, 2013
Der Sonderpreis:
prinzessin matratze matratze matratze matratze matratze matratze matratze matratze matratze matratze matratze erbse matratze #TF140 — stephan porombka (@stporombka) September 9, 2013
Die Publikumspreise:
#TF140 stolz legte der Veterinärmediziner den Skalpel ab. „Mein 100ster Kaiserschnitt. Aber 6 Ziegen aus einem Wolfsrüden?“
— Joerg (@paukensolo) September 9, 2013
#tf140 Hänsel, Gretel, Wald, Ofen heiss, Hexe kalt.
— e.nglish (@e_nglish) September 13, 2013
Hier mehr zur Preisvergabe.
Links:
Über Twitteratur | Digitale Kürzestschreibweisen erscheint am 11.10. 2013 ein E-Book von Jan Drees und Sandra Annika Meyer im Frohmann Verlag Berlin.
Wer nicht so lange warten will, kann schon mal lesen, was Anousch Mueller in einem buchreport-Interview über Twitteratur zu sagen hat.
Und das man von Twitter keinen Augenkrebs bekommt, erklärt Alex Rühle in diesem köstlichen Beitrag auf sueddeutsche.de
Wer noch mehr Tweet-Märchen lesen will, kann unter dem Hashtag #TF140 auf Twitter herumstöbern.