Sprachsülze. Schmeckt nicht.

Wie mit Sprache manipuliert wird, decken Udo Stiehl und Sebastian Pertsch in ihrem Buch „Ihr Anliegen ist uns wichtig! – So lügt man mit Sprache“ auf. Die Macher der Floskelwolke schenken uns erhöhte Aufmerksamkeit für sprachliche Fettnäpfchen und liefern frische Schimpfvokabeln wie Begriffszeppeline, Heißluftformulierungen und Wortwurstfabrik gleich mit. Damit wird auch das Fluchen beim Redigieren verschwurbelter Texte künftig sehr viel abwechslungsreicher. 

Das kommt dabei heraus, wenn man das Phrasenschwein schlachtet: Sprachsülze

Das kommt dabei heraus, wenn man das Phrasenschwein schlachtet: Sprachsülze

Frisch aus der Wortwurstfabrik

Eigentlich ist es völlig schleierhaft, warum ganz normale Substantive um einen Bereich aufgebläht werden. Da wird die Küche zum Kochbereich, die Straßeneinmündung zum Kreuzungsbereich und das Badezimmer zum Sanitärbereich. Dank der Autoren des Reiseführers durch den alltäglichen Sprachnebel ist das Rätsel gelöst. Der Bereich ist eine Krankheit; hoffentlich heilbar.

Der Bereich ist kein Wort, er ist der Herpes der deutschen Sprache. Man fängt ihn sich ein und wird ihn nicht mehr los. Geht leicht über die Lippen und ist dabei hochansteckend.

Orientierung im Sprachnebel

Weiterlesen

Schnauze: Das Rheinische Grundgesetz in seiner Berliner Fassung.

Rund 1,5 Millionen Menschen pendeln jährlich per Flugzeug zwischen Berlin und Köln/Bonn;  im Zugezogenen-Atlas der Berliner Morgenpost  steht der Geburtsort Köln auf Platz 14. Wie gut die Berliner Schnauze und das Rheinische Lebensgefühl zusammenpassen, beweist das Rheinische Grundgesetz in seiner Berliner Fassung. Frei nach dem rheinischen Motto „Levve und levve losse!“ gilt in Berlin: „Nu weene man nich, in der Röhre stehn Klöße, du siehst se bloß nich.“

Kölner Dom

Kölner Dom

Artikel 1 Sieh den Tatsachen ins Auge, du kannst eh nichts ändern.

Rheinland: Et es wie et es.

Berlin: Ick lach ma´n Ast und setz mir druff.

Artikel 2 Füge dich in das Unabwendbare; du kannst ohnehin nichts am Lauf der Dinge ändern. 

Rheinland: Et kütt wie et kütt. 

Berlin: Dit is mir Jacke wie Hose.

Artikel 3: Was gestern gut gegangen ist, wird auch morgen funktionieren.

Rheinland: Et hätt noch emmer joot jejange.

Berlin: Det Kind wer’n wa schon schaukeln.

Artikel 4: Jammer den Dingen nicht nach und trauere nicht um längst vergessene Dinge.

Rheinland: Wat fott es, es fott.

Berlin: Ham wa nich.

Artikel 5: Sei offen für Neuerungen.

Rheinland: Et bliev nix wie et wor.

Berlin: Bange machen jilt nich.

Artikel 6: Sei kritisch, wenn Neuerungen überhandnehmen.

Rheinland: Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet.

Berlin: Dat kommt nich inne Lamäng.

Artikel 7: Füge dich in dein Schicksal.

Rheinland: Wat wells de maache?

Berlin: Det is mir schnurz piepe.

Artikel 8: Qualität über Quantität.

Rheinland:  Maach et joot, ävver nit zo off.

Berlin: Lieba een bisken mehr, aba dafür wat Jutes.

Artikel 9: Stell immer die Universalfrage: Was soll das sinnlose Gerede?

Rheinland: Wat soll dä Kwatsch?

Berlin: Dir ham se wohl mit’m Klammerbeutel jepudert.

Artikel 10: Komm dem Gebot der Gastfreundschaft nach.

Rheinland: Drinks de ejne met?

Berlin: Kommse rin, könnse rauskieken!

Artikel 11: Bewahre dir eine gesunde Einstellung zum Humor.

Rheinland: Do laachs de disch kapott.

Berlin: Ick lach ma n Ast.

Tempelhofer Feld in Berlin

Tempelhofer Feld in Berlin

Links zu Berliner Wörterbüchern und Redewendungen:

Berlinisch-Wörterbuch

Lilies Altberliner Sprüche

Vokabeln für angehende Berliner

Berliner Dialekt Wörterbuch

Zur Entstehung des Rheinischen Grundgesetzes

Zeitreise in die Retroschubladen: #TwitternWie1985

Manchmal hat mein Altersvorsprung gegenüber digital natives handfeste Vorteile: Für eine Zeitreise zurück ins Jahr 1985 brauche ich nur ein paar Schubladen aufzuziehen. Damals hatten die heute 30jährigen noch einen Schnuller im Mund. Anlässlich der Kultfilmreise back to the future von Marty McFly aus dem Jahr 1985 ins das Jahr 2015 stellten sich Twitterer unter dem Hashtag #TwitternWie1985 die Frage: Was hätten wir vor 30 Jahren getwittert? Zeit für eine kleine Retroreise durch meine Schatzkisten.

Was fehlt: Solitaire für den Arbeitsplatz.

Solitaire

Heute machen wir uns einen gemütlichen Dia-Abend.

Weiterlesen

Flucht und Vertreibung sind auch ein Kommunikationsdesaster. Was mich ein Kapitel meiner Familiengeschichte heute lehrt.

Ich besitze Feldpostbriefe meines Onkel Wola, den ich nie kennengelernt habe. Ich habe Karten der Familie an meinen Opa in russischer Gefangenenschaft und einen behelfsmäßigen Personalausweis meiner Oma von 1946. Wohnung: z.Z. Flüchtlinglager. Die alten Papiere erzählen mir nicht nur ein Stück Familiengeschichte über Galiziendeutsche*; sie beschreiben auch das Kommunikationsdesaster jener Zeit. Das bange Warten auf Nachrichten von Angehörigen. Verstörende Dokumente. Und ich schäme mich, dass ich mein ausrangiertes iPhone 4 nicht schon längst an einen Flüchtling verschenkt habe.

Meine Oma als Flüchtling 1946 in Berlin

Meine Oma als Flüchtling 1946 in Berlin

Weiterlesen